Garten Eden zum Trinken

Vorreiter für den neuesten Hype in Sachen Ernährung sind ausnahmsweise keine Hollywood-Stars, sondern unsere Verwandten, die Schimpansen. Die nehmen große Mengen grüne Blätter zu sich, wirken dabei recht vergnügt und sind ausgesprochen selten krank. Könnte auch bei Menschen funktionieren, dachte sich Viktoria Boutenko und wurde in Folge zur Mutter der grünen Smoothies. Da das menschliche Verdauungssystem im Gegensatz zu dem von Affen Berge von Grünzeug nicht richtig verdauen kann, warf Boutenko die gesunden Blätter kurzerhand in den Mixer – kombiniert mit Obst entstand ein dickflüssiges fruchtig schmeckendes Getränk. Die Zerkleinerung bricht die Zellstruktur der Pflanzen auf, wodurch die Nährstoffe optimal resorbiert werden können. Mithilfe der Smoothies kurierte die russischstämmige Amerikanerin sich und ihre Familie von Arthritis, Schilddrüsenüberfunktion und Diabetes. Die frohe Kunde verbreitete die Ernährungsexpertin auf ihrem Blog und in dem Buch „Green for Life“. In den letzten Monaten ist die Fangemeinde des flüssigen Gemüsebreis auch in Berlin rasant gewachsen. In Internetforen werden Rezepte getauscht, in Magazinen Selbsterfahrungsberichte gedruckt. Wahre Wunderkräfte werden den Smoothies zugeschrieben. Neben Vitaminen enthalten sie Antioxidantien, Spurenelemente und essenzielle Fettsäuren. Grüne Pflanzen steuern außerdem alkalische Mineralstoffe und Chlorophyll bei, was den Säure-Basen-Haushalt und die Sauerstoffversorgung der Zellen verbessert. Regelmäßig genossen sollen die Power-Drinks Krebs, Alzheimer und Herzinfarkt vorbeugen und Depressionen heilen. Verarbeitet werden kann im Prinzip alles, was wächst, so ist auch für jeden Geschmack etwas dabei – Anfänger wählen einen hohen Fruchtanteil, Fortgeschrittene schlucken die Grünkohl-Mangold-Brennessel-Mischung ohne das Gesicht zu verziehen. Die euphorischen Ausführungen treffen jedenfalls einen Nerv: Gesundheit und Glück, instant und to go, gewürzt mit einer Prise Bio und Landlust – das passt sehr gut ins zeitgenössische Lebensgefühl junger und nicht mehr ganz so junger Großstädter. Wie gut, das bekamen Florian Köstlin und Christian Henzler zu spüren, nachdem das Angebot ihres jungen Unternehmens Wild.Kräuter Anfang des Jahres in zwei Berliner Blogs vorgestellt wurde. Auf ihrem Hof in der Uckermark verarbeiten die beiden jeden Tag große Mengen Obst, Gemüse und frisch gesammelte Wildkräuter wie Scharfgabe, Vogelmiere oder Spitzwegerich zu Smoothies und Säften und liefern sie nach Berlin. Angebote wie das „Super Detox“- Paket für einen oder mehrere gesunde Tage, kamen so gut an, dass die beiden mit dem Pressen kaum hinterher kamen. Mitte April eröffnen sie einen Laden in der Kreuzberger Gräfestraße. Das umfassende Heilsversprechen, das durchaus esoterische Züge trägt – von gesteigertem Mitgefühl ist im Zusammenhang mit den grünen Wundergetränken ebenso die Rede wie von Verjüngung und verbesserter innerer Balance – ist im Grunde uralt. Wenn auf Smoothie-Seiten über die Lichtenergie, sinniert wird, die allem Lebenden innewohnt, liest sich das wie eine alchemistische Abhandlung. Bereits die Naturphilosophen im Mittelalter arbeiteten an der Enthüllung der Ursubstanz, auf deren Grundlage sich eine Universalmedizin gewinnen ließe, ein Elixier, das dem Altern entgegen wirken, jede Krankheit heilen und nebenbei alle Metalle in Gold verwandeln sollte. So ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis Saftstände, Coffee-Shops und Health Food-Läden sich auf den Trend einstellen und die grünen Smoothies in der Berliner Innenstadt flächendeckend verfügbar sein werden. Natürlich kann man sie auch einfach selber machen. Und spätestens hier wird das Thema auch für Männer interessant: man braucht nämlich erst einmal das richtige technische Gerät. Der Standard-Küchenmixer kommt leider nicht in Frage. „Wenn man nicht nur gehäxeltes Grünzeug will, sondern ein echtes Geschmackserlebnis, braucht man einen Mixer, der mindestens 25.000-28.000 Umdrehungen schafft, einen starken Motor und scharfe Messer hat“, sagt Stefan Ansahl. Aus persönlicher Begeisterung für die Rohkost-Drinks hat er zusammen mit seiner Frau das Informations-Portal www.gruenesmoothies.org< gegründet. Neben Hintergründen und Rezepten findet man hier vor allem Informationen über Mixer, die Ansahl auch vertreibt. Im „Welcher Mixer passt zu mir“-Test kann man Motorleistung, Drehzahl und Drehrichtung, Messerzahl, Materialien und Programme vergleichen. So ein richtig leistungsstarkes Gerät kann dann schon bis zu 600 Euro kosten. Für 299, versichert Ansahl, bekommt man aber schon einen, der „richtig tolle grüne Smoothies macht.“ Dem Wunder-Elixier vielleicht noch näher als die Smoothies sind die „Green Shots“, die Cindy Bachmann mit ihrer Cold Press macht, die sie aus Los Angeles mitgebracht hat. Besonders schonend und besonders gründlich presst diese riesige Maschine, bis die Essenz der Pflanze in ein Schnapsgläschen passt. „Das geht direkt ins Blut, das ist Leben pur.“ Foto: Meike Bergmann, TRIAS Verlag.