Eine junge Frau beschreibt ihre tägliche Make-Up-Routine und stellt ihren Lieblingseyeliner vor. Ein kleiner Text informiert über die Geschichte karierter Wollschals. Wem eines der gezeigten Modelle besonders gut gefällt, der wird zum Shop weitergeleitet. Das Modell aus Wolle gibt es bei Marks & Spencer für 28 Pfund, die edle Kaschmir-Variante von Brunello Cucinelli bei Farfetch für 490 Euro.
Auf den ersten Blick sieht Fair-a-porter aus wie einer der vielen Mädchen-Modeblogs: Modefotos, Erfahrungsberichte und farbig unterlegte Sinnsprüche.
Die allerdings lassen aufhorchen. „Consume less, share better“ steht da beispielsweise oder „Durch ethische Entscheidungen werden die Interessen aller gewahrt.“
Tatsächlich hat sich die deutsche Modejournalistin Alex Bohn mehr vorgenommen, als hübsche Kleider zu zeigen. Mit ihrem knapp einem Jahr alten Start-up möchte sie eine Plattform schaffen: „Wir sollten keine Mode akzeptieren, die das Produkt sozialer und ökologischer Ungerechtigkeit ist. Stattdessen können wir verantwortliche Kaufentscheidungen treffen und stolz sein auf den Stil und die Integrität jedes Teils, das wir besitzen“, liest man unter dem Stichwort „Mission“.
Der Blick hinter die Kulissen ist ihr wichtig
Seit vielen Jahren reist Alex Bohn zu den internationalen Schauen nach Paris, London und New York. Es hat sie immer mehr gestört, „dass da nur die halbe Geschichte erzählt wird. Das Spektakel der Schauen begeistert mich noch immer. Aber dass wir von den Menschen, die hinter der Mode stehen und von den Prozessen, in denen sie entsteht, so gut wie nichts erfahren, finde ich nicht richtig.“
Sie beschloss, hinter die Kulissen zu schauen. Ihr Anliegen war zunächst Transparenz. Als sie begann, Labels auszusuchen, von denen sie erzählen wollte, merkte sie, dass schöne Mode allein als Kriterium nicht reichte. „Ich habe beschlossen, ein Angebot zu kuratieren.“
Vier Kriterien hat sie festgelegt, von denen mindesten eins erfüllt sein muss, damit ein Label auf Fair-a-porter präsentiert wird: Die Verwendung zertifizierter Rohstoffe, umweltfreundliche Produktion, Langlebigkeit durch hohe handwerkliche Qualität, Mitgliedschaft in einer NGO wie der Fair Wear Foundation, die faire Textilproduktion überwacht. Eines dieser Kriterien zu erfüllen, scheint kein sehr hoher Anspruch zu sein, und ein Kriterium wie „Langlebigkeit“ ist wohl auch ein bisschen schwammig.
Made in China ist nicht zwingend schlecht
„Ich bin mir bewusst, dass diese Kriterien anfechtbar sind, aber irgendwo muss man anfangen“, sagt die 36-Jährige. Tatsächlich gibt es noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Immer noch blenden die meisten Menschen die Missstände der Textilindustrie aus. Selbst Berichte von einstürzenden Textilfabriken mit Tausenden von Toten halten viele Konsumenten nicht davon ab, sich bei Primark Billigmode in die Pappsäcke zu schaufeln. Wobei es zu kurz greift, Primark oder Kik anzuprangern, die auch nicht anders produzieren als andere Anbieter, auch so genannte Edelmarken. In Skandinavien, England und den USA ist man da weiter.
„Das liegt wohl auch daran, dass Mode in Deutschland wenig kulturelle Relevanz hat,“ vermutet Bohn. Spielerischer und lustvoller Umgang mit Mode liegt uns fern. Das führt zu einem recht verkrampften Entweder-Oder. Entweder Billigheimer oder angespannte Superkorrektheit, die nie gelten lässt, dass auf Fair-a-porter Labels wie Filippa K oder Acne auftauchen, die in China produzieren. „Made in China bedeutet nicht zwingend, dass die Mode von Kindern oder unter menschenunwürdigen Bedingungen entsteht. Auch dort gibt es Produktionsstätten, in denen die Arbeiter existenzsichernde Löhne erhalten und sich gewerkschaftlich organisieren können“, sagt Alex Bohn.
Modischer Luxus und faire Produktion – das geht in den Köpfen noch nicht gut zusammen. Viele Labels fürchten sich so sehr davor, in die Öko-Ecke gestellt zu werden, dass sie soziales und ökologisches Engagement für sich behalten.
Investoren für das Projekt zu finden, ist gar nicht so leicht. Das Unternehmen Fair-a-porter passt in keine Schublade: Im Bereich Social Entrepreuneurship wird Mode kritisch beäugt, dem schnellen Geldverdienen andererseits steht der Anspruch auf Korrektheit im Weg. Bisher finanziert Bohn ihr Start-up ausschließlich über Affiliate-Programme. Das heißt, Kunden, die ein bestimmtes Teil kaufen wollen, werden an Shops weitergeleitet. Dafür gibt es Provision. Dabei birgt der pragmatische Ansatz von Fair-a-porter womöglich mehr Potenzial zur Verbesserung der prekären Bedingungen der Textilindustrie als die grundsätzliche Verdammung schnöden Konsums.