Schlaue Kleidung
Wir müssen uns Jorgen Morup als einen ausgesprochen sturen Menschen vorstellen. Als er 1969 beschloss, seine Firma „Morup Stof“ zu gründen und Stoffe zu produzieren, hatte er keine Ahnung vom Textilgewerbe. Aber er hatte einen festen Willen. Unterstützt von seinem Vater Henry kaufte er in England eine gebrauchte Strickmaschine, stellte sie in eine alte Feuerwehrstation und fing an zu arbeiten. „Ich habe auf die harte Tour gelernt“, sagt er rückblickend. Durch Ausprobieren, Fehlermachen, Zuschauen. Dafür war er allerdings im Herning im dänischen Jütland am richtigen Ort. Die Stadt, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Eisenbahnknotenpunkt entstand, war in den 60er Jahren das Zentrum der dänischen Textilindustrie. Nach und nach eignete Morup sich so viel Wissen wie möglich an. Er entwickelte geradezu eine Leidenschaft für Wissen. Das Wissen über Technologie, Verarbeitung und Material. Aber auch das Wissen um Hintergründe, Zusammenhänge und die Grundlagen des eigenen Handelns. Da er also ein Mann ist, der den Dingen gerne auf den Grund geht, war es naheliegend, dass er anfing über sein Lieblingsmaterial nachzudenken: Baumwolle. Die weichen Fasern der Baumwollfrüchte werden seit vielen Jahrhunderten zur Produktion von Kleiderstoffen verwendet, da Baumwolle hervorragende Trageeigenschaften bietet. Sie ist reißfest, saugfähig, luftdurchlässig und lässt sich gut färben. Allerdings kommen beim Anbau der empfindlichen Pflanzen große Mengen Dünger und Pestiziden zum Einsatz – ein großes Problem für die Umwelt, die Menschen, die im Anbau und der Verarbeitung tätig sind und zuletzt die Konsumente, die die belasteten Textilien auf der Haut tragen. Für ein herkömmlich produziertes T-Shirt werden neben 400 Gramm Baumwolle 165 Gramm Chemikalien verwendet, die teilweise krebserregend sind. Wer das alles weiß, fand Jorgen Morup, kann nicht einfach so weiter machen wie bisher. Bereits in den frühen 90ern stellte er auch Bio-Baumwolle um. „Wirtschaftlich gesehen“, sagt Jorgens Sohn Mads, „kam mein Vater damit zu früh.“ Das Bewusstsein war noch nicht da, das teurere Material ließ sich schwerer verkaufen. Gemeinsam mit seinem Vater hat Mads 2007 das Label Konwledge Cotton gegründet und Morups Stof damit konsequent weiter entwickelt. Selbst ein Label zu gründen war die logische Folge der Jahrzehnte langen Erfahrung in der Textilproduktion und der Aussicht, dass es immer schwieriger werden würde, in Dänemark produzierte Stoffe zu verkaufen. Logo des Labels ist die Eule. Bereits im alten Griechenland, wo er der Weisheitsgöttin Athene zugeordnet war, steht der Vogel wegen seiner hoch ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit für Weisheit. „Meinem Vater ging es immer um Qualität“, sagt Mads Morup. Wenn jemandem seine Stoffe zu teuer waren, hat ihn woanders hin geschickt. Was Qualität anging, hat er absolut keine Kompromisse gemacht.“ Ein Familienunternehmen zu sein, darauf ist man bei Knowledge Cotton stolz. Weil familiäre Werte wie Verantwortung und Respekt einen Unterschied machen können in einer Industrie, die vom Profitstreben großer Unternehmen geprägt ist. Das ist es zumindest, woran die Morups glauben. Sie haben eine hohe Meinung von menschlicher Vernunft und Lernfähigkeit. Wenn Menschen um krebserregende Giftstoffe in herkömmlich produzierten Stoffen wissen, um die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion, davon sind sie überzeugt, möchten sie keine Billig-Kleidung mehr kaufen. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Ende April 2013 gingen die Bilder der eingestürzten Textilfabrik in Dhaka um die Welt, in deren Trümmern 1129 Menschen starben. Das Entsetzen war groß, die Filialen der Billig-Textil-Ketten, die dort produziert hatten, waren aber gut gefüllt wie immer. Mads Morup ist nicht weltfremd. Er sieht auch, dass Menschen oft egoistisch denken, die grausige Wahrheit der Billig-Textilproduktion verdrängen, dass speziell junge Menschen schnell und viel konsumieren. „Als ich studiert habe, habe ich lange gespart, um mir eine Diesel-Jeans kaufen zu können. Das macht, glaube ich heute niemand mehr.“ Aber er ist überzeugt, dass es zu ökologischer und nachhaltiger Produktion keine Alternative gibt. „Wenn wir uns heute hinsetzen und über die Zukunft nachdenken, dann gibt es eine Sache, die wir hundertprozentig vorhersagen können, auf die wir uns alle einigen können und das ist die Einsicht, dass wir Dinge in Zukunft besser machen müssen. Produktion muss nachhaltiger und umweltbewusster werden, der Umgang mit den Menschen respektvoller, sonst wird es ein schlimmes Ende nehmen.“ Und damit die Menschen lernen können, umzudenken, müssen die Firmen den Anfang machen. Sie müssen ihre Produktion und vor allem auch ihr Marketing und ihre Kommunikation ändern. Und wie muss Mode aussehen, die aus diesem Geist entsteht? Nachhaltige Mode, die im Grunde keine Mode sein will, wenn man Mode als ständige Veränderung betrachtet. Nachhaltig muss ja auch heißen, nicht permanent etwas neues kaufen. Weniger zu konsumieren, dafür besser. Auf der Homepage der Firma kann man ein Schwarzweiß-Foto von Jorgen Morup sehen, auf dem er 1969 vor dem Tor der eben gegründeten Firma steht, neben ihm ein R4-Kastenwagen, das sympathischste Familienauto jener Zeit. Er trägt eine Jacke mit Kapuze und großen Taschen, die man ziemlich genau so in der aktuellen Kollektion von Knowledge Cotton finden könnte. „Unser Look ist im Grunde konservativ“, sagt Mads Morup. Im Zentrum stehen immer die Basics, denen wir treu bleiben.“ Chinos, Oxford-Shirts, Strickpullover, Jacken, im Winter dauengefüttert. Farben ändern sich, das eine oder andere kommt neu dazu. Taschen, iPad-Hüllen und Portemonnaies aus pflanzlich gefärbtem Leder beispielsweise. Aber im Grunde ist es das. Clean und geradeaus. Durchaus typisch skandinavisch, findet Morup. „So wie Filippa K, J. Lindeberg oder Acne mögen wir es schlicht. Keine Prints, Logos, Applikationen.“ Smart Menswear, die sich an Männer richtet, die nicht mehr ganz jung und wild sind, sondern ihren Stil gefunden haben. Kleidung für ältere Junge – oder jüngere Alte. „Ein gut angezogener Mann“, findet Mads Morup, „verbindet Klassik mit Coolness. Er kann zum Beispiel eine ausgewaschene Jenas tragen, wenn er dazu ein Hemd und eine Fliege kombiniert. Man sollte immer mit Kontrasten arbeiten.“ Beispielsweise alt mit neu kombinieren. „Wir suchen uns immer Klassiker und interpretieren sie neu.“ Als Inspiration für die Spring/Summer Kollektion 2014 hat man sich bei Knowledge Cotton das Woodstockfestival ausgesucht. Wie passt die bunte Hippie-Welt mit skandinavischer Klassik zusammen? „Ein bisschen etwas vom Look der 70er steckt in all unseren Produkten“, sagt Morup. Und tatsächlich, wenn man genau hinschaut, kann man es sehen. Im verblichenen Orange eines T-Shirts beispielsweise oder in roten Anorakts mit blauen Strickbündchen oder den Streifen am V-Ausschnitt eines dem weißen Baumwollpullover mit Streifenverziertem V-Ausschnitt wie ihn einst Björn Borg trug. Mads Morups Knowledge-Cotton-Lieblingsteil ist übrigens ein gestreiftes Oxford-Shirt.