Schluss mit der Häme!

Demi Moore hat die Haute Couture Show des Labels Fendi eröffnet. Sie hat sich damit, wie sie sagt, einen Jugendtraum erfüllt. Doch anstatt von Lob erntet sie Entsetzen. Dafür, dass das, was sie seit Jahrzehnten tut, um auszusehen, wie sie aussieht, diesmal nicht ganz so gut gelungen ist. Ein Bild geht durch die Medien, auf dem ihr Gesicht durch die schönheitschirurgischen Eingriffe entstellt aussieht. Wie immer, wenn so etwas passiert, wenn also die Unerfüllbarkeit der Ansprüche, die an Frauen in unserer Gesellschaft gestellt werden, sichtbar wird, wird die Frau, an deren Körper sie sichtbar werden, mit Hass überschüttet. Dafür, dass sie es wagt, die Lüge auffliegen zu lassen. Die Lüge, dass es möglich – und geboten – ist, faltenfrei, schlank und unerschütterlich hübsch wie eine 20-jährige alt zu werden. Man braucht sich nur die „Berichterstattung“ auf bild.de anschauen, wo eine Moderatorin gemeinsam mit einem bärtigen Schönheitschirurgen hämisch-süffisant Moores Bilder sezieren, um die ganze Widerwärtigkeit dieses frauenverachtenden Spektakels zu erleben. Ein Schönheitschirug, really? Einer, der sein Geld damit verdient, mit Frauen genau das zu tun, was er jetzt bei „dieser Dame“ anprangert? Es wird geschnitten, aufgespritzt, abgesaugt und Fremdkörper eingeschoben, ein Gemetzel was das Zeug hält. Aber bitte schön, keinesfalls von der Aussage abrücken, gesunde Ernährung und gute Gene allein wären der Grund für das nicht altersgemäße Aussehen. Es geht nicht um Ehrlichkeit und freie Entscheidungsmöglichkeit, es geht um unerfüllbare Vorgaben, mit denen Frauen unterdrückt werden. Denn glauben Sie im Ernst, Demi Moore hätte den Job bei Fendi – oder in irgendeiner Hollywood-Produktion – bekommen, wenn sie sich mit grauen Haaren, Falten und rundem Bauch, also dem natürlichen Aussehen einer 58-jährigen beworben hätte? Dabei ist sie eine außergewöhnlich schöne Frau und wäre sicherlich auch unbehandelt noch sehr ansehnlich.
Und es betrifft uns alle. Es ist nämlich nicht leicht, selbst wenn man keine Hollywood-Schauspielerin ist, sich diesen Standards zu entziehen. Ich behaupte, dass kaum eine Frau ihrem glatten Gesicht, vollen Haar und ihrer schlanken Taille nicht nachtrauert. Weil sie die Währung sind, in der wir bezahlen. Weil wir erleben, wie wir abgewertet werden, wenn wir altern. Warum wird es als Kompliment betrachtet, jemandem zu bestätigen, dass viel jünger als 40, 50 oder 60 aussieht?
Einzusehen, dass Schönheitschirurgie nicht der Weg sein kann, heißt für mich jedenfalls nicht, dass ich nicht doch immer mal interessiert schaue, was Botox und Silikonfäden so alles können. Es braucht Mut und Kraft, „natürlich“ zu altern und dazu zu stehen. Wir können das nur gemeinsam schaffen. Indem wir selbst coole Vorbilder abgeben und indem wir liebevoll mit anderen Frauen umgehen – ob sie sich nun für Eingriffe entscheiden oder nicht.